Die Ladepumpen-Puchs

Der Artikel stammt aus der Feder des unvergessenen Dr. Helmut Krakowizer und ist den 70er Jahren in verschiedenen Fachschriften erschienen. Wir verwenden ihn mit freundlicher Genehmigung seines Sohnes.

Diese wunderschöne zeichnerische Darstellung der Ladepumpem-Puch wurde der Bildmappe "Die klassischen Rennmotorräder" von Dr. Helmut Krackowizer entnommen, die im Stuttgarter Motorbuch-verlag erhältlich ist und die außer der Puch noch weitere 11 berühmte Rennmotorräder bis ins letzte Detail im Format ca. 48 x 38 cm zeigt.

Mit Beginn der Zweitakt-Ära, die mit dem Wirken von Direktor Marcellino zusammenfällt, entwickelte Puch sofort eine rege Sporttätigkeit, Sie Iässt sich, was die Erfolge betrifft, noch verhältnismäßig leicht rekonstruieren; wenn es jedoch gilt, den technischen Grundlagen dieser Renntätigkeit nachzuspüren, wird es schon schwierig. In den Motorrad-Zeitschriften jener Jahre sind nur recht spärliche Hinweise auf die Beschaffenheit der Puch-Rennmaschinen zu finden. Ein Gespräch mit lng. Mikina, der als Konstrukteur bereits 1911 von Austro-Daimler zu Puch wechselte und heute in Graz seinen Lebensabend verbringt, und dem damals jungen und erfolgreichen Rennfahrer Siegfried Cmyral, dem bis vor kurzem aktiven Sportleiter von Puch, bringt einigermaßen Klarheit in die Geschichte der berühmten „Kompressor-Puchs".

Die Sport-"LM" von 1923/1924, das erste Doppelkolben--Zweitaktmodell bei Puch.

Genau genommen waren jene Puch-Werksrennmodelle, die unter diesem Namen in der Sportöffentlichkeit berühmt wurden, ja keine echten Kompressor-Motoren, sondern sogenannte Ladepumpen-Maschinen‚ wie sie auch die zeitgenössischen .Rennmaschinen von DKW darstellten. Die leistungssteigernde Ladepumpe diente nämlich nur dazu, das KurbeIkammer-Volumen als den zum Ansaugen und Vorverdichten benützten Raum unterhalb der Kolben zusätzlich zu vergrößern und zu verkleinern. Es wurde also nur die Vorkompressionswirkung des Kurbelgehäuses verstärkt, während ein getrennt angeordneter Kompressor oder eine Ladeeinrichtung dem Motor unter Druck Luft oder das bereits aufbereitete Brennstoff-Luft-Gemisch zuführen.

Es war 1923/24, als man von der frischgebackenen Puch LM, jener ersten Doppelkolben-Zweitakt-Maschine, die ob ihres zigarrenförmigen Tanks den Spitznamen „Zeppelin-Puch“ erhielt, bereits sportliche Ausführungen baute, Die zeitgenössischen Inserate zeigen die Puch LM in drei Ausführungen: als Herren-, Damen- und Sportmodell. Rein äußerlich unterschied sich das Normal- vom Sportmodell nur dadurch, dass die Sportversion ein glattes bis über die Hinterachse führendes Auspuffrohr und einen kurzen flachen Lenker besaß. Wer genau hinsieht, entdeckt noch den abgeänderten Zylinderkopf mit einer mittelachsig aufgesetzten Zündkerze. Um wieviel mehr eine solche Sport-LM lief, weiß niemand mehr genau zu sagen; jedenfalls um einiges schneller als die für die LM verbürgten 60 km/h. Einige Sport-LM waren auch mit außenIiegender Schwungscheibe ausgestattet.

Wesentlich mehr lässt sich über die 175 ccm-Maschine in Erfahrung bringen. Auch bei diesem Modell war der Iuftgekühlte Zweitakt-Doppelkolben-Motor noch in Längsrichtung im Rahmen angeordnet, so dass der Antrieb über eine Kette nach hinten bewerkstelligt wurde. Die Maschine erschien im Frühjahr 1925 auf dem Markt, nachdem noch im Herbst 1924 Rupert Karner und Hugo Höbel auf einer 125 ccm-Sport-LM in Monza den 2. und 3. Platz der 250 ccm-Klasse belegt hatten.

Der Ladepumpenmotor von Puch entsprach in seinem Aufbau weitgehend dem bekannten Triebwerk der S 4: querlaufender Doppelkolben-Zweitakter mit großen Innenschwungmaßen, Kurbelwellenhauptlager als Rollenlager, Wellenabdichtung mit Metallmembraneu, Pleuelfuß auf käfiggeführtem Rollenlager, starres Gabelpleuel, ein Bolzenauge auf dem Bolzen seitlich verschiebbar, Zündkerze im dachlörmigen Brennraum über dem Uberströmkolben, angeflanschtes klauengeschaltetes Vierganggetriebe, Primärkraftübertragung über Kegelräder, Schmierung durch Kolbenölpumpe. Beim Rennmotor vorn anstelle des Magnetzünders (der hier, um über Kegelräder angetrieben, über das Getriebe gewandert ist) die kurzhubige Hilfspumpe zur Erhöhung der Kurbelgehäuse-Förderleistung — und Wasserkühlung für Zylinder und Kopf.

Vom Sportmodell der 175 ccm—Puch gab es wiederum zwei Versionen: eine mit normalem Grauguss-Zylinderkopf und eine schnellere mit Bronze-Kopf. Beiden gemeinsam waren zwei nach der Seite herausragende Auspuffrohre und eine wie bei der Sport-LM in der Mitte des Zylinderkopfes sitzende Zündkerze.

Zwischen dem auch für den Privatmann käuflichen Sporttyp 175 und der Werksmaschine, wie sie Rupert Karner in der Österreichischen Tourist-Trophy auf dem Rundkurs in der Hinterbrühl zum Siege führte, gab es natürlich Unterschiede. Karners Werks-Puch besaß an der rechten Seite des Kurbelgehäuses eine kleine, mittels Exzenter betätigte Ladepumpe, in die offensichtlich der Ansaugkrümmer einmündete. Mehr ist auf den Bildern jener Zeit nicht zu erkennen. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 51,04 km/h gegenüber 52,6 km/h für den Sieger der 250 ccm-Klasse Carl Gall auf New imperial, und auch der Sieger der 350 ccm-Klasse, Ladislaus Balasz auf Zenith-JAP, schaffte nur 51,6 km/h. Die kleine 175 „Renn-Puch muss also ein ganz behendes, flinkes Maschinchen gewesen sein: ihre Höchstgeschwindigkeit darf man bestimmt mit 90 bis 100 km/h ansetzen. Die Leistung wird gegenüber den 3 PS des Tourenmodells gut 5 bis 6 PS betragen haben. Noch im selben Jahr errangen Karner und Höbel mit dieser Maschine eine Reihe von Siegen in Straßen—, Berg- und Bahnrennen, so dass 1926 das 175 ccm-Sportmodell zu den beliebtesten Motorrädern in Privathand zählte. Der 1-2-3-Erfolg in der Österreichischen Tourist—Trophy mit den Fahrern Höbel, Sandler, Toricellij war ebenso beachtlich wie der Sieg des ltalieners Faraglia, der sich in 9 von 10 Meisterschaftsläufen an erster Stelle placieren konnte. Darunter war auch ein sensationeller Sieg in der Targa Florio, die in jenen Jahren auch mit Motorrädern gefahren wurde.

Höbels Siegesmaschine in der Österreichischen "IT verfügte bereits über ein Dreiganggetriebe, während die 175 Sport-Puch sich ebenso wie das Tourenmodell mit der Zweigang-Nabe im Hinterrad begnügte.

1927 ließ schließlich Puch dem sporterprobten und bewährten Modell 175 das stärkere Modell 220 folgen. Noch immer lag die Kurbelwelle quer zur Fahrtrichtung — doch die Normalausführung konnte bereits mit 4,5 PS und 80 km/h Spitze aufwarten.

Siegfried Cmyral auf einer 250ccm-Ladepumpen-Puch wird bei der Österreichischen Tourist-Trophy 1931 in Wolkersdorf Zweiter.

An der "Österreichischen "IT- beteiligte sich Puch noch mit dem 175 ccm-Rennmodell. Diesmal verzichtete man auf eine zusätzliche Ladepumpe, dafür saß der Vergaser vorn zwischen den beiden mächtigen Auspuffkrümmern am Zylinder, so dass die Unterkante des vorderen Kolbens Einlass wie Auslass steuerte. Die Leistung dieses Puch-Rennmodells 1927 dürfte bereits über 10 PS betragen haben, denn Runtsch als Sieger der UItra-Leichtgewichts-‘IT fuhr über 81 km Distanz einen Durchschnitt von 71 km/h: in der schnellsten Runde erzielte er einen Schnitt von 75 km/h. Der. Sieger der 250 ccm-Klasse war wesentlich langsamer, und erst Michael Gayer auf Chater—Lea schaffte als Sieger der 350 ccm-Klasse 76,7 km/h Durchschnitt (schnellste Runde mit 82,6 km/h). Die 175 ccm-Renn-Puch muss entsprechend der sicher mehr als 130 km/h schnellen englischen Chater—Lea zwischen 110 und 115 km/h gefahren sein. Natürlich war diese Puch schon mit Dreiganggetriebe ausgerüstet und nicht mehr mit der serienmäßigen Zweigang-Nabe.

lm Herbst des gleichen Jahres trat Puch bereits mit einer echten 250er Rennmaschine zum „Großen Preis von Österreich“ an. Toricelli und Höbel waren die Fahrer dieser neuen Maschinen, deren Motor nun quer zur Fahrtrichtung, also mit der Kurbelwelle in Längsrichtung, in einem neuen Rohrrahmen (heute würde man ihn als Doppelschleifenrahmen bezeichnen) saß.

Das Rahmenrückgrat war jedoch einfach. Das Herz der Maschine: natürlich wieder ein luftgekühlter DoppelkoIben—Motor mit einem Magnet an der Frontseite, direkt von der Kurbelwelle angetrieben. Der Auspuff führte von der Rückseite des Zylinders in einem schwungvollen Bogen nach rechts unten; das Ende war fast armdick — Anzeichen der kommenden Megaphone. Leider blieben beide Fahrer in diesem mörderischen Sechsstunden-Rennen nach glänzender Fahrt an der Spitze ihrer Klasse mit Motorschaden liegen. Der Motor war noch nicht ausgereift.

Ing. Mikina erinnert sich, daß dieser Motor schon mehr als 10 PS abgab und damit für etwa 115-120 km/h gut war außerdem, dass er thermisch schwierig zu beherrschen war, weshalb sich Dir. Marcellino bald etwas ganz Neues ausdachte.

Elvetio Toricelli erreicht auf der gleichen Maschine beim Kilometer Lancé des gleichen Jahres auf der Neunkirchner Allee 133,8 km/h. Cmyral, der mit einer speziell dafür präparierten Maschine antritt, schafft 140,7 km/h.

1928 wurden zwar noch die alten Flennmodelle gefahren, doch zur Österreichischen TT 1929. stand das „Ding“ fertig an den Boxen: Puch hatte einen Ausflug zum Viertaktmotor gemacht! An sich nicht ganz ohne Berechtigung, bot das Grazer Werk 1928 seinen Kunden doch einen echten Viertakter mit einem 500 ccm-JAP-Motor als Kraftquelle an, ein schweres, vor allem für Beiwagenbetrieb gedachtes Motorrad. Warum also nicht auch ein Viertakt-Rennmodell? Obwohl diese Maschine im Rennen kaum mehr als eine Runde durchstand, war sie technisch besonders interessant.

Es handelte sich um einen quer zur Fahrtrichtung stehenden V-Zweizylinder-Motor mit hoch zwischen den beiden Zylindern liegenden Nockenwellen, die über ganz kurze Stößel die bereits mit Haarnadelfedern bestückten Ventile betätigten. Der Vergaser saß nicht etwa an den Zylinderköpfen, sondern vorne mitten im „Dreckstrahl“ des Vorderrades, am Kurbelgehäuse. Der Motor saugte wie ein Zweitakter durch das Kurbelgehäuse an, von dort wurde das Gemisch über zwei Kammern schließlich in die Zylinderköpfe geführt.

Heute mag man darüber lächeln und sagen, na ja, das konnte ja nicht gut gehen. Damals war dieser Motor jedoch eine Sensation. Er fiel nur deswegen aus, weil es zur Tourist-Trophy so jämmerlich regnete, dass der Vergaser mehr Wasser und Schmutz denn Luft ansaugte. Sieger dieser Schlammschlacht wurde der junge Grazer Siegfried Cmyral auf einer „normalen“ 250er Puch, einer luftgekühlten Dreigang-Maschine, die aus dem Serientyp entwickelt worden war und keine sichtbaren technischen Besonderheiten hatte.

Dir. Marcellino war nun ein Mann, der sich rasch neuen Ideen zuwandte, wenn ein Motor nicht zufriedenstellend lief. Also wurde der interessante V-Zweizylinder-Viertakter beiseite gestellt und die Züchtung weiterer PS wieder im bewährten Zweitakt-Doppelkolben-Motor vorangetrieben. Die schon 1928 standfeste 250er hatte ja mit Bronze-Kopf und hartverchromter Zweizylinder-Lauffläche (von der man bald wieder abging) etwa 11 PS Leistung erbracht. Für die Rennsaison 1930 wurden die ersten drei wassergekühlten Ladepumpen-Maschinen entwickelt.

lm Prinzip handelte es sich um den Motor der Serienmaschine mit quer zur Fahrtrichtung stehendem Doppelkolben-Zylinder, der vorn an der Kurbelwelle an Stelle des Magnets nun eine mittels Exzenter betätigte Ladepumpe trug. Der Magnet fand seinen neuen Platz gewissermaßen „auf dem Kopf stehend" auf der Getriebeseite. Das Getriebe hatte noch immer drei Gänge und wurde nach wie vor mit der Hand geschaltet. Die Motoren leisteten bei 4400 Touren gute 14 PS; sie durften bis maximal 4800 U/min überdreht werden. Darüber hinaus machte das geschlitztePleuelauge des zweiten Kolbens nicht mehr mit.

Ab 1930 war Puch der Konkurrenz überlegen

Noch 1937/38 holt sich der Wiener Privatfahrer Franz Novotny (Nr. 15) mit einer 250ccm-Ladepumpen-Puch aus dem Jahre 1931 bei zahlreichen Rennen erste Preise.

Das erste Auftreten der neuen Maschinen bei der Österreichischen TT 1930 war eine, Sensation und auch gleich ein durchschlagender Erfolg. EIvetioToricelli, der kleine drahtige Schweizer, siegte in der 250 ccm-Klasse überlegen mit 81,5 km/h Durchschnitt — womit er im Gesamtergebnis aller Placierten sogar an 7. Stelle lag — vor Fahrern wie Leo Davenport auf AJS 350, Martin Schneeweis (AJS 500) und Arthur Geiss (DKW 350). Cmyral, der dasselbe neue Modell fuhr, wurde zwar im Endstand nur Dritter hinter Schörg (Excelsior-JAP)‚ konnte aber die Rekordrunde der 250 ccm-Klasse mit 86,5 km/h für sich buchen. Zehn von den insgesamt 17 Runden des 18,1 km langen und schwierigen TT-Kurses in Breitenfurt lag Cmyral überlegen an der Spitze seiner Klasse und rückte zeitweise sogar auf den 4. Platz des Gesamtfeldes heran. Inmitten der schweren 350- und 500 ccm-Maschinen zwang ihn schließlich ein Getriebedefekt — der 3. Gang hielt nicht mehr — zu verhaltener Fahrt; trotzdem eroberte er sich einen ehrenvollen 3. Platz.

Mit der neuen, wassergekühlten „Kompressor“-Puch jagte ein Erfolg den andern. Im „Großen Preis von Deutschland" auf dem Nürburgring langte es beim ersten Auftreten der neuen Maschinen noch nicht zu einem vollen Sieg. Toricelli wurde Fünfter nach dem englischen Trio Crabtree, Longman, Mellors und dem besten Deutschen Otto Kohfink, die allesamt schnelle englische Viertakter fuhren. Auch bei der „HoIländischen TT" in Assen sind die Engländer noch flinker. Diesmal belegt Cmyral vor Toricelli den 5. Platz. Der Große Preis aber geht nicht an die Engländer, sondern an Geiss auf DKW, ein Zeichen mehr, dass die Viertakt-Rennmotoren nicht mehr ganz das waren, was man von ihnen erwartete.

Das siegreiche Grazer Team von 1931: Siegfried Cmyral, der Schweizer Werksfahrer bei Puch Elvetio Toricelli und Rennleiter Franz Gall.

Im „Großen Preis von Österreich“ im Herbst des Jahres. zeigte die schnelle Puch unter Cmyral und Toricelli, was in ihr und ihren Fahren steckt. Cmyral und Toricelli gewannen überlegen ihre Klasse, obwohl sich Spitzenfahrer wie Walfried Winkler (DKW) und die beiden Engländer Crabtree (Excelsior) und Himing (AJS) im Startfeld befanden. Nur die beiden Werks-Puch kamen in ihrer schnellsten Runde über die 100 km/h-Marke. Ja selbst die schnellste Runde des Siegers der 350 ccm-Klasse Leo Davenport (AJS) mit 105,3 km/h war nicht weit ab von Cmyrals Rundenbestzeit von 101,8 km/h. Puch war nun eindeutig Meister der 250er Klasse. Im „Großen Preis der Schweiz" fuhr Toricelli mit der 250er Puch sogar die schnellste Runde aller Klassen und damit des Tages, ehe er durch das Lockerwerden des Kühlwasseranschlusses aufgeben musste. Cmyral siegte noch im Pötschenrennen und auf dem Semmering‚ ehe sich das Werk anschickte, neue Maschinen — wieder nur drei Stück für die Werksmannschaft 1931, Cmyral, Toricelli und nunmehr Hunger—zurecht— zumachen. Die nach wie vor mit drei Gängen ausgerüstete Maschine erhielt endlich eine Fußschaltung, die Ladepumpe wurde vergrößert und die Leistung des Motors bei fast gleichbleiben der Drehzahl auf etwa 18 PS gesteigert. Zum Saisonbeginn brachte Toricelli am 5. April 1931 die verbesserte „KompressoH-Puch im „Großen Preis von Ungarn" siegreich ins Ziel.

Mit 140 km/h durch die Neunkirchner Allee

Siegfried Cmyral vor dem Start zum Kilometer Lancé 1931 mit deiner prämierten Maschine.

Zwei Wochen später zeigte die flinke Maschine aus Graz im KiIometer-Lance auf der Neunkirchner Allee, wie schnell sie wirklich war. Cmyral fuhr mit einem extra dafür präparierten Exemplar (ohne Kühler, nur mit einem kleinen Verdampfer im Tank) 140,7 km/h über den fliegenden Kilometer und damit neuen österreichischen Rekord, während Toricelli mit der normalen Straßenrenn-Ausführung auf 133,8 km/h kam. Auf dem neuen TT-Kurs bei Wolkersdorf teilt die Puch-Mannschaft Toricelli, Cmyral, Hunger das Viertelliter-Rennen unter sich auf. Nur Rudi Runtsch, in diesem Jahr im Sattel der schnellen Königswellen-NSU von Mr. Moore, war als Gesamtsieger noch etwas schneller als die heulenden Kompressor-Puchs.

Der größte Erfolg gelang am Nürburgring

Die endgültige Bestätigung ihrer internationalen Überlegenheit in der Viertelliter-Klasse holte sich Puch im „Großen Preis von Deutschland" am 5. Juli 1931 auf dem Nürburgring. Elvetio Toricelli gewann gegen ein 18 Mann starkes Feld die Viertelliter-Klasse. In einem über 367,9 km langen Rennen distanzierte er Mellors (New Imperial), Ernie Nott (Rudge) und Crabtree (Excelsior), alle England. Sein Renndurchschnitt lag mit 96,7 km/h nur wenig unter jenem des 350 ccm-Siegers, dem englischen "ITT-Gewinner Tyrell Smith auf Fludge, der genau 100 km/h schaffte.

Puch bestritt in der Folge nur noch wenige Rennen. Im „Großen Preis der Schweiz" auf dem klassischen Bremgartenkurs bei Bern ausgetragen, fuhr Cmyral mit 111,8 km/h die Rekordrunde der 250 ccm-Klasse, ehe er mit einem lächerlichen Defekt aufgeben musste. Die Enttäuschung des sieggewohnten Fahrers war entsprechend groß.

Die hereinbrechende Wirtschaftskrise warf ihre Schatten auch nach Graz. Noch einmal griff Dir. Marcellino mit seinem getreuen Ing. Mikina zum Zeichenstift und ließ über den Winter ein noch schnelleres Rennmodell entstehen. Die beiden Zylinder wurden um 90 Grad gedreht und standen nunmehr, bei nach wie vor querlaufender Kurbelwelle, in Längsrichtung im Rahmen. Jeder Kolben erhielt sein eigenesPleueL so wie es dann Jahre später im Modell 350 GS in Serie verwendet wurde. Die Ladepumpe wurde weiter vergrößert, der Vergaser direkt daraufgesetzt: sie pumpte nun nicht mehr ins Kurbelgehäuse, sondern direkt — wie bei der späteren Membran-Maschine von DKW — in den Verbrennungsraum.

Bloß zwei Exemplare waren es, die gebaut wurden. Ehe Cmyral zum Klausenpass-Rennen antrat‚ brachte der Motor bereits mehr als 23 PS auf der Bremse. Der lange Urner Boden der KIausenpass-Straße wurde der erstmals viergängigen Kompressor-Puch aber trotzdem zum Verhängnis: ein Kolben klemmte und Cmyral rettete sich mit krankem Motor noch als 3. ins Ziel. Dann schloss im Puch-Werk Graz die Rennabteilung endgültig ihre Tore.

Anfang der dreißiger Jahre sollte das bisherige Ladepumpenmodell von Puch durch diese Neukonstruktion abgelöst werden (die aber nicht mehr zum richtigen Einsatz kam). Hier war man (wie später in der Serie bei der wenig geglückten 350 G3) vom Gabelpleuel abgegangen, hatte die Zylinder hintereinander gesetzflaberauch wieder mit einem gemeinsamen Brennraum), so daß (bei zunächst symmetrischem Steuerdiagramm) lediglich eine Gleichstromspülung entstand (die Unsymmetrie des Steuer-diagramms läßt sich bei dieser Anordnung durch gegenseifge Versetzung der Hubzapfen erzielen). Das Kurbelgehäuse blieb druckfrei, die - entsprechend groß dimensionierte - zusätzliche Ladepumpe förderte direkt in den Überströmzylinder.

Ladepumpennachlese

Nur einmal noch tauchte ein Exemplar der sagenhaften Kompressor-Puch auf und versetzte die Zeitgenossen in Staunen. Der Wiener Novotny fuhr noch 1937/38 mit einem 31er Modell in vielen Rennen vorderste Plätze heraus. Er wurde bester Privatfahrer zahlreicher Meetings, fuhr tollkühne Schräglagen und brachte den Glanz der Kompressor-Puch _noch einmal zum Strahlen. Dann rollte das Rad der Zeit mit Einbruch des Zweiten Weltkrieges auch über diese ruhmreichen Kapitel des Hauses Puch hinweg. Heute existieren außer alten Fotos, Rennberichten und Konstruktionszeichnungen nur mehr die Erinnerungen an jene sagenhaften ..Kompressor“—Puchs.
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Eine Replica, die vom Oldtimerexperten Stefan Friedl aus Bad Aussee aufgebaut wurde, kann als Leihgabe im BMW Museum in Vorchdorf besichtigt werden. www.motorradmuseum-vorchdorf