Puch 125 SL und Puch 150 TL

Die beiden jüngsten Erzeugnisse des Grazer Hauses stehen nun tatsächlich unmittelbar vor dem Anlauf der Großserie, und das "Motorrad" nimmt gerne die Gelegenheit wahr, die neuen Modelle, die sich im nationalen und internationalen Sport mit aufsehenerregenden Erfolgen bereits bestens eingeführt haben, einer eingehenden Beschreibung zu unterziehen. Als Kraftquelle findet selbstverständlich der weltbekannte Doppelkolbenmotor Verwendung, dessen durch die Relativbewegung der beiden Kolben erzielten Vorteile ihn unweigerlich an die Spitze der Zweitaktmotoren stellen.  
  Im Hinblick auf die große Zahl neuer Leser, die ständig zu uns stoßen, wollen wir auch dem Prinzip des Puch-Motors einige Worte widmen, obwohl dies unseren alten Lesern hinreichend bekannt ist. Es handelt sich hier um einen Dreikanal-Zweitakter (Ansaug-, Überström- und Auslaßkanal), dessen Hubraum in zwei gleich große Zylinder mit gemeinsamem Verbrennungsraum zerlegt wurde, in denen sich zwei Kolben derart bewegen, daß in der Nähe der Totpunkte immer einer der beiden Kolben dem anderen voreilt. Erreicht wurde dies bei der Grundkonstruktion dadurch, daß man die Kolben an einer gemeinsamen, gegabelten Pleuelstange angreifen ließ. Zum Ausgleich der Veränderung des Parallelabstandes der Pleuelaugen war eines derselben als Langschlitz ausgebildet, und der zugehörige Kolbenbolzen war mit parallelen Flächen versehen.

Aus herstellungs- und betriebstechnischen Gründen hat man allerdings diese Machart seit einiger Zeit verlassen und zwei getrennte Pleuel vorgesehen, von denen eines am andern angelenkt ist. Am Prinzip hat sich dadurch jedoch nichts geändert, höchstens, daß durch die Art der Anlenkung eine wesentlich größere Freiheit in der Wahl der Voreilung rein größenmäßig gesehen) erreicht wurde, (was die Erzielung des jeweils gewünschten Steuerungscharakters naturgemäß erleichtert.

In der Wirkung unterscheidet sich der Puch- Doppelkolbenmotor von den landläufigen Dreikanal-Zweitaktern dadurch, daß Auslaß- und Überströmschlitze nicht über ihre ganze Größe gleichzeitig geöffnet sind. Vielmehr werden die Auslaßschlitze früher geöffnet und früher geschlossen als die Überströmschlitze, woraus die folgenden Tatsachen als Vorteile resultieren:

 
  Die verbrannten Restgase sind zum größten Teil abgeströmt und weitgehend entspannt, ehe die Frischgase ihren Weg in den Zylinder antreten, wodurch ihnen das Einströmen merkbar erleichtert wird. Durch die auf Grund der kleineren Zylinderbohrungen bestehende kleinere Berührungsfläche von Frisch- und Altgasen ergibt sich eine verringerte Vermischungsmöglichkeit. Die Übeströmschlitze sind noch geöffnet, wenn der Auslaß bereits geschlossen ist, so daß ein Nachströmen von Frischgas ohne Verluste gewährleistet wird. Zusammenfassend heißt das, daß ein größeres Quantum reinerer Frischgase im Zylinder verbleibt, als dies bei anderen Zweitaktmotoren der Fall ist (die Techniker sprechen hier vom besseren quantitativen und qualitativen Spülwirkungsgrad).
Als höchstwillkommenes Endergebnis zeigen sich höheren Leistung, geringerer Verbrauch und besserer Leerlauf, wodurch sich der höhere technische Aufwand durchaus selbst rechtfertigt.

  
  
   

 In der SL (Sport - Luxus) erscheint der bekannte Zweivergasermotor wieder auf. Bohrung und Hub blieben mit 2x38 mm und 55 mm unverändert. Der Hubraum beträgt nach wie vor 125 ccm. Das Verdichtungsverhältnis liegt bei 1 : 6,5 und die Leistung beläuft sich auf 7,5 PS bei 5500 minütlichen Umdrehungen. Diese mehr als beachtliche Literleistung von 60 PS wird durch entsprechende Auslegung der Schlitzzeiten erreicht, wobei die Anordnung der zwei nacheinander öffnenden Vergaser gestattet, diesen ausgesprochenen Sportmotor mit einem Vergaser friedlich zu fahren, ohne mit einem wesentlichen Mehrverbrauch gegenüber dem Tourenmodell rechnen zu müssen.

Der Motor der TL (Touren-Luxus) mit seinem, Hubraum von 150 ccm ist keineswegs bloß ein aufgebohrter 125er, sondern erfuhr in Bohrung und Hub eine entsprechende Vergrößerung auf 40 bzw. 59,6 mm. Das Verdichtungsverhältnis ist ebenfalls mit 1 : 6,5 gewählt und die Leistung kommt bei 5000 Umdrehungen pro Minute auf 6,5 PS. Das entspricht einer Literleistung von 43,3 PS, die einen guten tourenmäßigen Wert in dieser Größenklasse darstellt. Es sei an dieser Stelle ganz besonders darauf hingewiesen, daß die 150 TL als ausgesprochene Tourenmaschine entwickelt wurde, was schon allein in der Wahl des Hubraumes von ausgerechnet 150 ccm und der gemäßigten Spitzengeschwindigkeit von etwas über 80 km/h zum Ausdruck kommt, während die 125 RL über 90 km/h läuft.

Dafür ist das Drehmoment ganz auf "Zug" abgestellt. Das Maximum liegt bei 3500 Touren und beträgt 1,1 mkg, ein Wert, der sich durchaus sehen lassen kann. Wenn nun zwar nur die reine Sportmaschine wegen der im Motorsport üblichen Begrenzung des Hubraumes einen solchen von 125 ccm aufweist, der zugleich mit dem gesetzlichen Begriff des Kleinkraftrades zusammenfällt, so ist seitens des Werkes die Möglichkeit vorgesehen, auch das Tourenmodell mit einem 125er Motor liefern zu können, damit auch jene Interessenten in den Genuß der Vorzüge einer TL kommen können, die nur im Besitze eines Führerscheines für Kleinkrafträder sind. Die Leistung des kleineren Motors beläuft sich auf 5,4 PS bei 5000 minütlichen Umdrehungen, die Spitzengeschwindigkeit dieser 125 TL liegt bei etwas über 75 km/h.

An der rechten Seite des Kurbelgehäuses ist die spannungsregelnde 6 Volt-Gleichstromlichtmaschine angeordnet, die bei einer Leistung von 25/35 Watt die gesamte Batterie-Zünd-Lichtanlage mit Strom versorgt. Neu ist an dem ganzen elektrischen Verbundnetz lediglich die Unterbringung des Signalhorns, das nun zwischen unterem Gabelquerjoch und dem mit einer Mulde versehenen Scheinwerfergehäuse placiert wurde.

Der fahrtechnische Hauptvorteil der neuen L-Serie ist in dem neuentwickelten Vierganggetriebe begründet, das bereits seit zwei Jahren in den Werksmaschinen in Verwendung steht und sich in härtesten Wertungsfahrten das Prädikat "geeignet" erworben hat. Der dazugekommene vierte Gang hat jedoch keineswegs die Bedeutung eines Schnellganges, da er in der Gesamtübersetzung dem bisherigen dritten entspricht. Auch der erste Gang ist vollkommen gleich geblieben, so daß also nur der ganze Bereich in vier, anstatt in drei Stufen unterteilt ist.

Die Übersetzungen lauten nun: 1 : 7,6, 1 : 10,0, 1 : 14, 6 und 1 : 25,5. Die Gänge werden in der gewohnten Weise mittels eines links angeordneten Fußhebels nach deutscher Norm (Erste nach unten, Zweite bis Vierte nach oben) geschaltet, der Leerlauf liegt zwischen dem ersten und zweiten Gang. Die Kraftübertragung von der Kurbelwelle auf die Mehrplattenkupplung des Getriebe wird von einer einfachen Hülsenkette besorgt, die ebenso wie die Kupplung innerhalb des Gehäuses im Ölbad läuft.

  
 

Der Antrieb des Hinterrades erfolgt über eine Rollenkette, die vollkommen staub- und schmutzgeschützt in einem geschlossenen Kettenkasten läuft. Ein Schauloch mit einem federbelasteten Deckel gestattet jederzeit die Kontrolle der Spannung und des Zustandes der Kette und gleichwohl auch ein Beträufeln derselben mit Öl, was hier, wo der Staub- mit seiner gefährlichen Schmirgelwirkung ferngehalten wird, tatsächlich empfohlen werden darf, während dies ja bei offenen Ketten äußerst problematisch ist.

Mit diesem Kettenkasten leitet sich nun schon unweigerlich die Betrachtung des neuen Fahrgestelles ein, da der Kettenkasten mit dem rechten Arm der Hinterradschwinggabel, deren Bewegungen er selbstverständlich mitmacht, organisch verbunden ist. Das Fahrgestell der L-Serie besteht in der Hauptsache aus deinem Mittelteil von zwei durch Schweißung verbundenen Schalen, die, aus Stahlblech gepreßt und innen durch sinnvolle Versteifungen verstärkt, ein absolut torsionsfestes Gebilde darstellen. Gerade diese Drehsteifigkeit bildet aber die Basis einer anständigen Straßenlage, um die an diesen Modellen, wie die unzähligen Sporterfolge beweisen, niemandem bange zu sein braucht. Das Vorderrad sitzt in der bewährten hydraulisch gedämpften Teleskopgabel, für das Hinterrad wurde die in der wassergekühlten Werksrennmaschine entwickelte Schwinggabelfederung mit ebenfalls hydraulisch gedämpften Teleskopfederbeinen in die Serie genommen.
 

Der Drehpunkt der Schwinggabel, deren Preßstahlarme durch ein starkes Querrohr versteift sind, liegt ganz nahe am Getrieberitzel, so daß ohne Gefahr eines übermäßigen Kettenverschleißes ein relativ großer Federweg zugelassen werden konnte, da die Längendifferenzen beim Durchschwingen praktisch vernachlässigbar sind. Die Federbeine stützen sich gegen schalenförmige Konsolen, die am rückwärtigen Ende des Mittelrahmens angeordnet sind. Der freitragende Hinterradkotflügel ist durch Schrauben mit dem Rahmen verbunden.

Der Hohlraum im Mittelteil des Schalenrahmens wurde in geschickter Weise mit zwei abgeschlossenen Kammern versehen, die durch Türchen mit Schraubverschluß zugänglich sind. In der linken Kammer hat die siebenamperestündige Batterie Platz gefunden, die rechte wurde als Werkzeugbehälter ausgebildet, in dem an der höchsten Stelle, vor Beschädigung gesichert, die Zündspule untergebracht ist.

Der Antriebsblock ist getriebeseitig mit dem Preßrahmen verschraubt und wird überdies von einer Strebe mit stromförmigem Querschnitt, die vom Steuerknopf nach abwärts führt, vorne am Kurbelgehäuse gehalten. Genau genommen dient diese Strebe nur zur Beruhigung überängstlicher Gemüter, da der Motor ohne weiteres vollkommen freitragend eingebaut bleiben könnte.
 

Die neugestalteten, schlanken Auspufftöpfe, die dem Motor einen ausnehmend ruhigen Gang verleihen, bestehen ebenfalls aus verschweißten Stahlpreßschalen und wurden daher gleich mit einer "tragenden" Aufgabe bedacht: Sie sind unten an je zwei Punkten gelagert und besitzen an der Oberkontur die Augen für die Soziusfußrasten. Die beiden Laufräder mit 19-Zoll-Felgen tragen 3-Zoll-Reifen und sind mit äußerst wirksamen Innenbackenbremsen von 160 mm Durchmesser und 20 mm Belagbreite ausgestattet. Die Naben sind aus Stahlblech gepreßt und sehr starr. Die Bremsen werden in herkömmlicher Art von einem rechts liegenden Pedal und dem rechten Lenkerhebel betätigt.

Beide Räder besitzen Steckachsen. Vorne ist eine einfache Schraubachse vorgesehen, wobei das Rad mit der Bremstrommel herausfällt, so daß also beim Ausbau nur das Bremsseil ausgehängt werden muß. Beim Hinterrad wurde die bisherige 125er Ausführung, bei der bekanntlich noch die Kette (ohne sie zu öffnen!) abgehoben werden mußte, verlassen und eine geteilte Nabe wie bei der TF gewählt. Kettenkranz und Bremstrommel werden vom Radausbau nicht berührt. Es sind nur die Muttern der drei Mitnehmerbolzen ab- und die Steckachse herauszuschrauben.
 

Die zur Kettenspannung verschiebbaren Achsträger werden dabei nicht gelockert, so daß die Radstellung keinerlei Veränderung erfährt. Der gegenüber den bisherigen Modellen gekürzte Lenker hat eine überaus gefällige Form und ermöglicht eine angenehme Sitzposition. Kupplungs- und Bremshebel sind natürlich verstellbar, wobei durch die Kombination Kupplungshebel-Abblendschalter das Elektroaggregat mit dem Hornknopf in begrüßenswerter Weise näher an den linken Handgriff herangerückt werden konnte.

Der Schwingsattel erfuhr die gleiche Ausbildung wie an der TF, besteht also aus einer Stahlblechmulde, die mit einer dicken Schaumgummischichte ausgelegt ist und erst darüber die Gummisatteldecke trägt. Eine Kleinigkeit, der jedoch große Bedeutung zukommt und die von allen Fahrern dankbarst empfunden werden dürfte, ist der serienmäßige Einbau eines Benzinhahnes mit Wassersack, der die Verschmutzungsgefahr für den Vergaser wesentlich herabsetzt.

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